Ein Gedankenspiel von Linn Quante und Mona Knorr
“Ein lauer Sommerabend. Ich setze mich auf mein Fahrrad und radel den Giesinger Berg hinunter, über die Isar zu unserem kleinen Ladenlokal. Seit letzter Woche hängt nun auch ein Schild an der Tür: “Offene Lebensmittelwerkstatt”. Es hat tatsächlich geklappt. Vergangenes Jahr haben wir einen Verein gegründet, ein Ladenlokal angemietet und unsere ersten Küchengeräte für die gemeinsame Nutzung in den Laden gestellt. Eine Getreidemühle und den Entsafter meiner Oma. Wir haben eine Küche mit zwei Backöfen eingebaut und uns von unseren ersten Mitgliedsbeiträgen eine Flockenquetsche und einen Dörrautomat gekauft. Auf der Anrichte stehen die selbstgebauten Kräutertrockner.
Mein Fahrradkorb ist voller Pflaumen aus dem Garten und Tomaten aus der Solidarischen Landwirtschaft. Beides soll heute Abend noch getrocknet werden. Ich schließe mein Fahrrad ab, die Tür von unserem Ladenlokal steht offen. Es riecht nach Brot und Kaffee. Mona und Norman sind auch schon da. Norman hat seit letzter Woche einen Teströster und seitdem wird geröstet, gecuppt, geröstet, gecuppt. Vielleicht können wir demnächst unseren eigenen Kaffee rösten für die Mitglieder der Lebensmittelwerkstatt. Eine Kooperation mit einem Kaffeebauer bahnt sich an. Mona macht heute einen Brotbacktag und backt auch für meine Familie die Brote für die nächsten Tage mit. Nächste Woche bin ich dann dran. Das Brotgetreide haben wir hier in der Region gekauft und in unserer Lebensmittelwerkstatt vermahlen. Nächsten Monat kommt endlich unsere Nudelmaschine, dann können wir hier für alle Mitglieder die Nudeln selber machen!
Ich kann mich noch erinnern, wie Mona und ich vergangenes Jahr zusammensaßen und das erste Mal die Idee einer solchen offenen Lebensmittelwerkstatt formulierten. Wir hatten gerade gemeinsam 30 Kilo Nudeln quer durch das Glockenbachviertel transportiert, die wir direkt vom Erzeuger gekauft haben. Wir dachten: Es macht ja Spaß zu Hause sein Brot selber zu backen und Gemüse weiterzuverarbeiten, aber wäre es nicht klasse, analog zu den Offenen Werkstätten, die vor allem einen Fokus auf das gemeinsame Selbermachen im handwerklichen Bereich legen, eine Offene Werkstatt zur Verarbeitung von regionalen Lebensmitteln zu eröffnen? Einen Ort zu schaffen, an dem Nahrungsmittel unmittelbar verarbeitet werden können, die Gerätschaften dafür teilt man sich, ein Austausch über unseren Umgang mit Lebensmitteln entsteht. Dann wäre es auch möglich, noch mehr Produkte direkt bei regionalen Bäuerinnen und Bauern zu kaufen, weil man den Veredelungsschritt selbst in der Hand hat. Kürzere Wertschöpfungskette, mehr Geld, das beim Erzeuger hängen bleibt, weniger Verpackung.
Inzwischen sind wir rund zehn Mitglieder, die sich hier Raum und Gerät teilen. Wir überlegen, eine Food-Coop anzuschließen, um gemeinsam größere Mengen unverarbeiteter Lebensmittel einkaufen zu können. Außerdem planen wir eine Crowdfunding-Kampagne, um das Ladengeschäft nebenan dazuzumieten – der Platz wird langsam eng und für die Food-Coop brauchen wir Kühl- und Lagerräume. Außerdem wollen einige zusammen eine Art Gärschrank für die Brotteige und Fermente bauen und einen großen Tisch für Communitytreffen und die Workshops, die wir hier anbieten. Die Nachfrage nach einer Mitgliedschaft bei uns ist hoch. Wir helfen gerade zwei anderen Teams dabei, auch in ihren Vierteln eine Offene Lebensmittelwerkstatt zu gründen, damit die Wege kurz bleiben und die Vernetzung noch lokaler ist. Wenn die anderen eröffnet haben, findet auch unser erstes Netzwerktreffen statt, wo wir einen Leitfaden zur Eröffnung einer Offenen Lebensmittelwerkstatt erstellen wollen. Die ersten Kommunen, die neue Quartiere bauen, sind nämlich schon auf uns aufmerksam geworden und überlegen, eine Offene Lebensmittelwerkstatt von Anfang an in den Bauplänen zu berücksichtigen. Wir träumen davon, dass es bald in jedem Ort eine Offene Lebensmittelwerkstatt gibt, die gut vernetzt ist mit lokalen ErzeugerInnen, Solawis, Food-Coops und Projekten wie Nachbarschaftsgärten und Essbaren Städten.“
Was wäre wenn? Die Offene Lebensmittelwerkstatt gibt es nicht. Zumindest noch nicht. Wir haben recherchiert, aber keine gefunden. Die Idee, die ein bisschen an Dorfgemeinschaftskühlhäuser, gemeinsam genutzte Brotbacköfen und Schlachttage in der Nachbarschaft erinnert, lässt uns aber nicht los. Momentan haben wir keine Ressourcen, um so ein Projekt selbst auf die Beine zu stellen – deshalb wollen wir die Idee hiermit auch anderen zugänglich machen.
Eine Offene Lebensmittelwerkstatt (und uns geht es dabei tatsächlich um das Verarbeiten von Lebensmitteln, nicht um gemeinsames Kochen und Essen) könnte Communities und Nachbarschaften wieder enger zusammenbringen. In Offenen Lebensmittelwerkstätten könnte Wissen über Lebensmittelverarbeitung lebendig gehalten, wiederentdeckt und geteilt werden. Und: Offene Lebensmittelwerkstätten geben Menschen die Souveränität über ihre Nahrung ein Stück weit zurück.
Uns würden eure Gedanken und Ideen zur Offenen Lebensmittelwerkstatt interessieren – schreibt uns dazu gerne einen Kommentar oder eine Nachricht an hallo@monaknorr.de.
Foto: Linn Quante
Wunderbares Szenario nur in München halte ich das für sehr sehr schwierig aufgrund der Immobilienpreise und des knappen Lebensraumens überhaupt. Wir haben für unsere Genussgemeinschaft Städter und Bauern e.V. jahrelang diese Ideen gesponnen und sind an der Realität gescheitert.
Auch bei der Stadt München haben wir verschiedene Anfragen und Konzepte für so eidn Modell platziert und Niemals mehr eine Antwort erhalten. Bzw. haben wir dann später gesehen, dass die Stadt die günstige Immobilie in der Nähe des Großmarktes, was für uns eine so gute Lage gewesen wäre, nach jahrelangem Leerstand an ein Architekturbüro vermietet hat.
Wir haben uns ins Private zurückgezogen und kochen und backen und verarbeiten privat mit Freunden oder mieten uns einen Raum wie den GUBE20 Kulturessraum in Moosach, weil wir da auf jeden Fall unsere Mitglieder und Gleichgesinnten und langsam auch die dortige Nachbarschaft antreffen wollen.
Das ist eine GENIALE Idee! Mir geht es nämlich, wie auch bei den offenen Werkstätten zum Handwerken, oft so, dass es sich in der eigenen Küche bzw. im eigenen Wohnzimmer, sehr mühsam anfühlt. In so einer offenen Werkstatt steht alles bereit, man hat eine gute Ausrüstung. Ich nehme das als Thema auch definitiv in den Münchner Kommunalwahlkampf mit… 🙂
Oh wie wunderbar ich das fände!!!
Und ich würde euch so gerne als foodsharing Botschafterin mit Leuten zusamnenbringen die regelmässig durchs Retten jede Menge Obst und Gemüse verarbeiten….das wäre grossartig!!!
tolles szenario. ich hatte 2014 mal eine ähnliche idee und schon den antrag auf leader-förderung (hier gehts um den ländlichen raum) formuliert. das hatte den arbeitstitel “die küche im dorf lassen” und es ging genau um die idee einer offenen lebensmittelwerkstatt im dorf. damit die gärtner ihre produkte in einer zugelassenen küche weiterverarbeiten und evtl.auch vermarkten können aber auch bildungsarbeit rund um nahrung und verarbeitung gemacht werden kann. leider ist es noch nicht zur umsetzung gekommen. aber vielleicht will jemand das ja aufgreifen. besonders dörfer, die nicht in stadtnähe liegen, könnten so mehr gemeinschaft, austausch und auch neue veredelungs und vermarkungsmöglichkeiten erschließen. zumindest bei uns in brandenburg gibt es noch sehr viel selbstversorgung mit viel potential zum ausbau. gemeinsames veredeln und vermarkten würde dieses potential in nutzung bringen und so die ländlichen subsistenzstrukturen fördern.