Im Februar habe ich mal eine größere Recherche zur „crowdbasierten Direktvermarktungsmodellen für Fleisch“ gemacht. Ausgangspunkt dafür war ein Artikel auf hofhuhn.de zu Bullenkälbern. Die Aufzucht dieser Tiere ist für Milchviehbetriebe nämlich oft so kostspielig, dass man die Jungtiere lieber wenige Tage nach der Geburt verkauft – zu Preisen, die oft unter dem liegen, was die Milch gekostet hat, die man diesen Bullenkälbern gefüttert hat. (Verrückt, oder?)

Bei Tieren und auch bei vielen anderen Sachen, die einfach Zeit brauchen, bis sie „fertig“ sind, ist es ja so, dass man als ErzeugerIn erstmal sehr viel investiert, um am Ende möglicherweise einen Ertrag zu haben: Das ist bei Obstgärten nicht anders als bei Rindern, Schweinen oder langsamen Gemüsekulturen. Derzeit ist es so, dass wir VerbraucherInnen das volle Risiko und die Verantwortung für unsere Lebensmittelproduktion auf den Bäuerinnen und Bauern abladen. Sie investieren Geld, Zeit und Wissen, ohne am Ende zu wissen, ob ihr Produkt überhaupt gekauft wird/sich ihr Invest rentiert/ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Die Solidarische Landwirtschaft ist das wahrscheinlich radikalste Modell, dieses Risiko und die Verantwortung zwischen VerbraucherInnen und ErzeugerInnen gerecht zu teilen – aber sie ist momentan noch nicht für alle Betriebe umsetzbar.

Deshalb habe ich geschaut, ob es andere Modelle gibt, in denen wir VerbraucherInnen Verantwortung und Risiko mit übernehmen können – und denjenigen, die unsere Lebensmittel produzieren, eine Garantie geben können, dass ihre Produkte am Ende zu 100% abgenommen und bezahlt werden. Interessanterweise bin ich vor allem im Bereich der Fleischvermarktung auf solche Modelle gestoßen, die ich dir hier einfach mal zusammengefasst habe. Wenn du weitere kennst, gerne auch für andere Produktgruppen, lass es mich unbedingt wissen!

Beteiligung an der Aufzucht von Tieren

  • Bei James Whelan Butchers bin ich auf sog. „Beef bonds“ gestoßen, also quasi „Fleisch-Anleihen“. Für 100 bzw. 150 Euro können VerbraucherInnen diese kaufen und eine Laufzeit zwischen 14 und 22 Monaten festlegen. Nach der Laufzeit wird das Investment in Fleischpaketen wieder ausbezahlt. Dadurch beteiligen sich VerbraucherInnen an der Aufzucht der Tiere und finanzieren diese quasi mit vor.
  • Ähnlich funktioniert die Schaf-Aktie auf bioschaf.at. Als VerbraucherIn kann man einen Anteilsschein an der Herde kaufen, der Wert wird in den drei folgenden Jahren mit Verzinsung wieder zurückbezahlt – in Naturalzinsen, also Lammfleisch. Auch hier hilft man mit, die Herde nachhaltig aufzustocken.
  • Der Biohof Hausberg bietet sog. Tierleasing an:  Hier kauft man als VerbraucherIn ein Tier und überlässt es dem Bauern zur Aufzucht. Die monatlichen Kosten werden in Form eines Futtergeldes beglichen. Schlachttermin und Zerlegung kann der Verbraucher selber wählen, der Metzger wird auch vom Verbraucher bezahlt. Hier übernimmt der Konsument die kompletten Kosten während der Aufzucht des Tieres.
  • Sehr schön transparent gemacht hat das Tierleasing die Seite schwarze-kuh.farm. Dort kannst du nachschauen, was für Kauf, Aufzucht, Schlachtung und Zerlegung für Kosten entstehen.

Crowdbutchering – Sammeln von Vorbestellungen vor der Schlachtung

  • Auf besserfleisch.de werden Vorbestellungen für Fleischpakete entgegen genommen. Erst wenn alle Teile des Tiers verkauft sind, wird es geschlachtet und der Liefertermin bekannt gegeben.
  • Ähnlich handhabt es Anna von Alster Wagyus – erst wenn ausreichend Vorbestellungen eingegangen sind, lässt sie eins ihrer Tiere schlachten.
  • Auch kaufnekuh.de funktioniert nach diesem Prinzip. Hier gibt es ähnlich wie auf Crowdfunding-Plattformen sogar einen Fundingbalken (oder eine “Fundingkuh”) – erst wenn dieser bei 100% steht, wird die Kuh geschlachtet.
  • Bei kuhteilen.ch heißt das ganze tatsächlich „Crowdbutchering“ und funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Erst wenn das Tier zu 100% vorverkauft ist, wird es geschlachtet.

Reward-based Crowdfunding zur Vorfinanzierung

Auch das reward-based Crowdfunding, das ja auch Vorverkaufs-Crowdfunding genannt wird, könnte für die Vorfinanzierung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen genutzt werden, die sich für Direktvermarktung eignen. Im Bereich der Food-Startups wird das durchaus schon betrieben – hier sammeln die ProduzentInnen Geld von der Crowd für Suppen, Bier oder Müsliriegel. Die KonsumentInnen tätigen über die Kampagne eine Vorbestellung für die Produkte, finanzieren damit die Produktion vor und garantieren den HerstellerInnen so die Abnahme. Auf den klassischen, deutschen Plattformen habe ich da noch keine Projekte gefunden – Marktplätze wie crowdfarming.de (die ich dir in einem gesonderten Blogbeitrag vorgestellt habe) und auch erzeugerwelt.de gehen aber in diese Richtung.