Einen Orangenbaum adoptieren, die Ernte vorfinanzieren und später die frisch gepflückten Orangen direkt vom Erzeuger/von der Erzeugerin erhalten – das ist das Prinzip von CrowdFarming®. Die sympathische Plattform verkürzt damit die Wertschöpfungskette und ermöglicht Erzeuger*innen eine digitale Form der Direktvermarktung. Ein spannendes Konzept – und deshalb freue ich mich umso mehr, dass Lena aus dem CrowdFarming® -Kommunikationsteam sich bereit erklärt hat, mir ein paar Fragen zu beantworten:

CrowdFarming® ist ja eine Direktvermarktungsplattform. Was sind die Punkte, die euch dabei am wichtigsten sind?

Unser Ziel ist es, die beiden wichtigsten Akteure der Lebensmittelkette direkt miteinander zu verbinden. Zum einen möchten wir dem Farmer die Möglichkeit geben, den Verkaufspreis seiner Produkte basierend auf seinen Kosten selbst festzulegen. Er kann durch das Konzept der Adoption zudem seine Ernte auf die reale Nachfrage abstimmen und Lebensmittelverschwendung kann vermieden werden. Zum anderen ermöglichen wir es den Konsumenten (den CrowdFarmern), direkt beim Erzeuger zu kaufen und somit zu erfahren, wer ihre Lebensmittel wo und unter welchen Bedingungen anbaut bzw. herstellt. Transparenz ist einer unserer Schlüsselelemente. Denn auch die Farmer haben von jetzt an die Möglichkeit, direkt von denjenigen Rückmeldung zu bekommen, die die Lebensmittel konsumieren und sich basierend auf diesem Feedback weiterzuentwickeln.

Auch die Umwelt spielt bei uns eine große Rolle. Die Farmer schicken ihre Produkte direkt an den Konsumenten. Die Produkte werden hierdurch nicht gelagert, verlieren nicht an Qualität in Lagerräumen und konsumieren dort auch keine unnötige Energie. Durch den direkten Transportweg werden außerdem Zeit und Kilometer beim Transport eingespart und der CO2-Fußabdruck erheblich verringert. Wir animieren die Farmer, den Sprung in eine, im Hinblick auf die Umwelt, respektvollere Landwirtschaft zu wagen. Wir liefern das nötige Vertrauen, sie zu ermutigen, dass es Leute gibt, die dieses Konzept mit Freude unterstützen werden. Wir motivieren sie außerdem, plastikfreie Verpackungen zu verwenden, Personal einzustellen und diesem faire Löhne zu zahlen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, die Plattform zu starten? Was war euer erstes Projekt?

Das CrowdFarming® wurde nicht in einer Garage geboren, wie so manch anderes Start-Up, sondern auf den Orangenbaumfeldern von Naranjas del Carmen. Es ist aus dem realen Bedürfnis der zwei jungen Orangenbauern Gabriel und Gonzalo Úrculo aus Valencia heraus entstanden. Sie standen vor der Herausforderung, die verlassene Orangenplantage ihres Großvaters wieder mit neuem Leben zu füllen und litten unter dem Mangel an Transparenz der traditionellen Lebensmittellieferkette und den zu niedrigen Preisen, die sie für ihre Ernte erhalten haben. Sie waren mit dieser herkömmlichen Lieferkette ganz und gar nicht einverstanden und schon kurz davor, das Handtuch zu werfen. Doch dann haben sie sich dazu entschieden, ihre eigene Lieferkette zu erschaffen und dabei die einzigen beiden notwendigen Akteure zu berücksichtigen, die eine solche Kette möglich machen: den Erzeuger und den Konsumenten. Ende 2015 wurden dann die ersten Orangenbäumchen bei Naranjas del Carmen adoptiert.

Gabriel und Gonzalo Úrculo

Im Laufe der Zeit kam sowohl von den Baumpaten der Wunsch, noch weitere Produkte auf diese Art und Weise zu beziehen und auch andere Landwirte kamen auf sie zu und wollten dieses Anbaukonzept gerne auf ihren Plantagen umsetzen. Unser Wunsch ist es, dass das CrowdFarming® sich in Zukunft zu einer wirklichen Konsum-Alternative entwickelt. Es soll sich zu einer wahrhaftigen weltweiten sozialen landwirtschaftlichen Revolution werden und dabei in den Menschen das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Konsum wecken und die Lebensmittelverschwendung verhindern. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn wir diese Anbauphilosophie mit anderen Landwirten teilen. Und genau mit diesem Ziel haben wir dabei geholfen, Ende 2017 crowdfarming.com ins Leben zu rufen – eine Plattform, auf der andere Erzeuger ihre Pflanzen und Tiere zur Adoption anbieten. Zu den ersten CrowdFarming® -Projekten auf crowdfarming.com gehören die Kakaobaum-, Mandelbaum- und Olivenbaum-Adoption. Mittlerweile kann man aber auch einen Zitronen- oder Granatapfelbaum und sogar ein Schaf oder eine Ziege adoptieren.

Als CrowdFarmer kaufe ich ja direkt beim Erzeuger. Gibt es die Möglichkeit, mit den Bäuerinnen und Bauern in Kontakt zu treten, oder gar die Höfe oder Betriebe zu besuchen?

Na klar! Für die Farmer und auch für die CrowdFarmer ist es eine sehr schöne Erfahrung, sich kennenzulernen. Jede Woche kommen Menschen vorbei, um ihr Bäumchen zu besuchen und sich vom Landwirt vor Ort alles genau erklären zu lassen. Früher war es undenkbar, dass jemand aus Deutschland extra einfliegt, um ein Selfie mit seinem Orangenbäumchen zu machen. Heute ist das tatsächlich der Fall. Auch wenn der Farmer jedes Jahr ein Foto des adoptierten Baumes macht, dieses in das Benutzerkonto (den Garten) des CrowdFarmers lädt, damit dieser die Entwicklung verfolgen kann, ist es doch noch einmal etwas anderes, wenn man ihn anfassen kann und auch die Menschen trifft, die sich hingebungsvoll um ihn kümmern.

Bilden sich durch die Plattform langfristige Beziehungen zwischen Konsument*innen und Erzeuger*innen? Würdet ihr von einer Community oder Crowd sprechen, die um die einzelnen Projekte entsteht?

Auf jeden Fall. Hiezu fällt mir das Beispiel der Olivenplantage Bardomus ein. Die Ernte der Oliven findet normalerweise im Oktober/November statt. Das frisch gepresste Öl sollte daher im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten verschickt werden. Viele CrowdFarmer hatten dies daher als Weihnachtsgeschenk fest eingeplant. Leider hat das Wetter den Plänen des Landwirts einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die letzten Monate des Jahres 2018 waren in Spanien sehr verregnet. Vor allem die Region Castellón, wo sich die Plantage Bardomus befindet, wurde schwer getroffen. Es kam zu Erdrutschen, Zufahrtswege zu den Bäumen wurden regelrecht weggespült und die Oliven waren schlichtweg zu nass, um sie in diesem Moment ernten zu können. Durch Aufräumarbeiten und das Trocknen der Früchte hat sich sowohl die Ernte, als auch die Herstellung des extra nativen Olivenöls um einige Wochen verzögert. Das Team von Bardomus war sehr besorgt, vor allem auch wegen der Reaktion der Baumpaten, die ja auf das Olivenöl als Weihnachtsgeschenk warteten. Die Reaktion der CrowdFarmer war allerdings unglaublich positiv. Nachdem wir über das Geschehen berichteten, drückten sehr viele ihr Mitgefühl aus und ließen das Team wissen, dass sie trotz der Verzögerung hinter dem Farmer stehen und geduldig auf die Ernte warten. Das war wirklich für alle Seiten ein schöner Moment.

Anpflanzen neuer Bäume

Die Ernte wird durch die verschiedenen CrowdFarmer*innen ja vorfinanziert. Was passiert bei einem Ernteausfall?

Der CrowdFarmer bekommt im Fall eines Ernteausfalls, was bisher glücklicherweise noch nicht vorkam, das Geld zurückerstattet.

Für welche Arten von Produkten eignet sich eure Plattform? Gibt es Produkte, die ihr ausschließt?

Einige unserer ersten Ideen waren: “Wir wollen, dass all die Landwirte unseres neuen Konzepts biozertifiziert sind.” “Wir wollen, dass nur Personen, die in der Nähe des Erzeugers wohnen, eine Produktionseinheit adoptieren können.” “Wir sind der Meinung, dass es nicht gut ist, Projekte in CrowdFarming zu unterstützen, bei denen ein Tier adoptiert wird. Das könnte einigen Personen sehr nahe gehen.”

Wir haben viel Zeit investiert, um Grenzen zu setzen und das Konzept CrowdFarming® exakt zu definieren. Aber jede Lösung erschien uns sehr komplex und immer gab es irgendwelche Ausnahmen: “Es gibt Landwirte, die kein Biozertifikat haben, aber deren Mentalität viel ökologischer ist, als von manch anderen, die biozertifiziert sind.” “Warum erlauben wir Personen aus anderen Ländern nicht, Orangen zu bestellen?” “Gut, in unserem Team haben wir Vegetarier und wir wissen, dass das Thema der Tierhaltung ein sensibles ist, aber es gibt viele Kulturen und Landwirte, die respektvoll mit Tieren umgehen. Warum lassen wir nicht die Leute selbst entscheiden?”

Dann kamen wir zu dem Entschluss: Wir müssen Vorurteile vermeiden und eine neue FREIE Lebensmittellieferkette definieren. Ein Konzept, in dem dem Konsumenten der Zugang zu allen Informationen (verifizierten) ermöglicht wird, und er frei entscheiden kann. Ein Konzept, in dem der Farmer die Möglichkeit hat, seine Philosophie – über das Biozertifikat hinaus – zu erklären.

Ich habe gelesen, dass bald die erste Farmerin aus Deutschland, eine Imkerin, auf eurer Plattform gelistet wird. Können sich Bäuerinnen und Bauern einfach bei euch melden, wenn CrowdFarming® für sie interessant ist?

Wenn ein Landwirt sich angesprochen fühlt und Lust hat, ein Teil der CrowdFarming-Familie zu werden, dann ist es am einfachsten, uns über dieses Kontaktformular zu kontaktieren. Wir setzen uns dann mit ihm in Verbindung, um ihn oder sie besser kennen zu lernen.

Vielen Dank, Lena, für das ausführliche Interview! Wenn ihr Fragen oder Feedback zu CrowdFarming habt, schreibt gerne einen Kommentar oder eine Mail.

Alle Fotos wurden mir von CrowdFarming zur Verfügung gestellt. Das Titelbild zeigt das Team hinter der Plattform.