Update 7.1.2022: SuperCoop in Berlin ist mittlerweile geöffnet – genauso wie das FoodHub in München. Weitere genossenschaftliche Supermärkte in Hamburg (WirMarkt) und Weyarn (Lavli) stehen in den Startlöchern. Es lohnt sich, all diesen Initiativen einen (virtuellen) Besuch abzustatten!)


Stell dir vor, du könntest in einem Supermarkt einkaufen, dessen Besitzer*in du bist. Und dessen Kassierer*in. Und du könntest mitbestimmen, was es im Supermarkt zu kaufen gibt und was nicht. Klingt unrealistisch? Nicht ganz, denn SuperCoop Berlin macht sich gerade auf den Weg, genau das zu sein: Ein Supermarkt, der all seinen Mitgliedern gehört. Und in dem alle Mitglieder 3 Stunden im Monat auch arbeiten – unentgeltlich. 

Klar, dass ich bei so einen spannenden Konzept noch ein bisschen nachbohren musste. Dafür habe ich mich letzten Freitag mit Marie, die im Team für die Beschaffung zuständig ist, zum Telefonieren verabredet. Und was soll ich sagen? Zwei Stunden waren ziemlich schnell um…

Ein Mitgliederladen, der seinen Mitgliedern gehört. Wie geht denn das?

SuperCoop Berlin wird eine Genossenschaft – und jede(r), der oder die dort zukünftig einkaufen will, wird Mitglied dieser Genossenschaft. Dafür zahlt man einmalig einen Genossenschaftsanteil (den man bei Austritt wieder zurückbekommt). Bei uns gibt es darüber hinaus keine monatlichen Mitgliedsgebühren.

Dafür aber monatliches Mitarbeiten?

Ja, genau. Jedes Mitglied muss drei Stunden im Monat im Laden helfen. Es gibt zwar ein festangestelltes Kernteam, etwa für die Warenbestellung, aber Aufgaben wie Auspacken, Regale auffüllen oder Kassieren übernehmen die Mitglieder. Das spart Personalkosten, und wir können die Produkte für alle Mitglieder deshalb deutlich günstiger abgeben.

Viel wichtiger aber ist, dass dadurch ein Miteinander entsteht. Für uns ist der SuperCoop ein Beitrag zu einer lebendigen Kiez-Kultur, ein Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichen Berufen, Interessen und Gehältern zusammenkommen, zusammen arbeiten, sich kennenlernen, austauschen und helfen. Und was eignet sich dafür besser als ein Supermarkt?

Wie seid ihr auf die Idee für SuperCoop gekommen?

In New York, genauer gesagt in Brooklyn, gibt es seit 40 Jahren die Park Slope Food Coop, die genau nach diesem Muster funktioniert. 2016 wurde in Paris La Louve nach diesem Vorbild gegründet. In unserem Berliner Gründungsteam sind viele Franzosen und Französinnen – wir haben alle diese Art des Mitgliederladens in Berlin vermisst und dann gedacht: Das machen wir selbst!

Ihr plant gerade ein Crowdfunding für den Laden. Macht ihr bald auf?

Wir würden gerne in einem Jahr eröffnen, haben aktuell aber noch keinen Standort. Wir wollen in einen Kiez, der recht bunt und divers ist, aber jetzt über das Crowdfunding erstmal testen, wie die Berliner überhaupt auf das Projekt reagieren. Für den Start brauchen wir eine Gemeinschaft von 1200 Menschen, denn unser Konzept funktioniert nur ab einer gewissen Größe. Wir bekommen aber schon jetzt viel Unterstützung, z.B. von SEND e.V. und ProjectTogether.

Apropos Unverpackt: Wird SuperCoop ein Bioladen?

Nein. Unser Ziel ist es zwar, einen großen Anteil an Biowaren zu führen, aber wir wollen ganz klar einen Supermarkt aufmachen, in dem Mitglieder mit unterschiedlichen Budgets einkaufen können. Außerdem soll es ein Vollsortiment geben, damit die Mitglieder bestenfalls ihren gesamten Wocheneinkauf bei uns tätigen können, wenn sie schon 3 Stunden Arbeit pro Monat investieren. Aber natürlich schauen wir, dass wir Produkte auch unverpackt anbieten können und von regionalen ErzeugerInnen. Unser Ziel ist, dass wir den Menschen Zugang zu qualitativ hochwertigen Produkten verschaffen können, die für sie bezahlbar sind. Und das erreichen wir, indem wie die Kosten für den Supermarkt durch die Mitarbeit senken und auf Werbung verzichten.

Du bist in eurem Team ja für die Beschaffung zuständig. Welche Themen beschäftigen dich gerade?

Ich komme eigentlich aus dem Umweltschutz, das Jonglieren mit Großhändler*innen und Produzent*innen ist noch neu für mich, aber gerade meine tägliche Arbeit. Ich schaue, wo ich welche Produkte bekomme, und wo es in der Lieferkette unnötige Zwischenhändler gibt, auf die wir verzichten können. Unser Ideal ist natürlich, so viel wie möglich regional und direkt zu beziehen, ohne parallel noch eine eigene Logistik aufbauen zu müssen. Mal gucken, wie das klappt.

Wichtig für uns ist, dass wir transparent arbeiten. Wir wollen am Supermarktregal später ein Schild haben, das zeigt, wie viel der Supermarkt am Produkt verdient, wie hoch der Anteil für den Erzeuger/die Erzeugerin ist und welcher Anteil auf Steuern entfällt. Da gehen wir übrigens weiter als etwa La Louve.

Was macht der Supermarkt mit seiner Marge?

Natürlich werden wir laufende Kosten haben, für Miete, Versicherungen und auch die Mitarbeiter*innen, die wir fest einstellen. Gewinne, die darüber hinaus gemacht werden, sollen komplett in die Infrastruktur reinvestiert werden. 

Können eure Mitglieder mitbestimmen, was im Ladenregal steht?

Es wird innerhalb der Genossenschaft Arbeitsgruppen für verschiedene Themen geben, an denen sich unsere Mitglieder beteiligen können. Dazu gehört natürlich auch die Auswahl der Waren. Die Warenbeschaffung für einen so großen Supermarkt ist allerdings recht umfangreich und komplex, die können wir nicht komplett in die Hand der Mitglieder geben. Und es gibt natürlich noch die Generalversammlung einmal im Jahr, wo gemeinsam die wichtigsten Themen entschieden werden.

Es gibt in Deutschland ja schon einige Mitgliederläden. Was unterscheidet euch von denen?

Ich denke, dass es wirklich dieser kollaborative Ansatz ist, also die Mitarbeit aller Mitglieder. Es wird keine Möglichkeit geben, mehr Geld zu bezahlen, aber dafür nicht arbeiten müssen. So kommen die Menschen eines Kiezes nicht nur zusammen, sondern beschäftigen sich auch mit ihrem Essen – und wer weiß, was daraus im Viertel dann wieder entstehen kann?

Wenn man sich Solidarische Landwirtschaften anschaut, dann haben die meist eine Bietrunde, damit Menschen mit unterschiedlichen Budgets teilhaben können. Sowas ist bei euch nicht vorgesehen?

Unser Genossenschaftsanteil wird 100€ betragen, und die bekommt man zurück, wenn man die Genossenschaft wieder verlässt. Die Preise für die Produkte sind für alle gleich, einen monatlichen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht. Insofern haben wir nichts, was mit einer “Bietrunde” vergleichbar wäre. Bei La Louve gibt es allerdings einen ermäßigten Genossenschaftsanteil für Menschen mit geringerem Einkommen. Wir können uns vorstellen, das auch umzusetzen, wenn wir merken, dass die 100€ eine Hürde sind, bei uns mitzumachen. 

Was macht ihr mit Foodwaste? In herkömmlichen Supermärkten fällt davon ja eine Menge an, während Solawis oder FoodCoops ihn weitestgehend vermeiden können.

Wir hoffen natürlich, dass die Mitglieder durch die Mitarbeit im Laden für dieses Thema sensibilisiert werden und dann auch anders einkaufen. „Mindestens haltbar“ heißt ja nicht „tödlich ab“, also werden wir schauen, ob wir abgelaufene, aber trotzdem noch gute Produkte auch noch an die Mitglieder abgeben können. Cool wäre natürlich, wenn wir eine Kantine oder so etwas in der Art anschließen könnten, damit Produkte, die kurz vor dem Verderben stehen, dort verbraucht werden können.

Im La Louve trägt außerdem das Lager- und Kühlsystem dazu bei, dass weniger Foodwaste anfällt, das wollen wir natürlich übernehmen.  Und wir werden auch mit Tafeln oder Foodsharing zusammenarbeiten. Zudem möchten wir auch Gemüse verkaufen, das nicht der Norm entspricht, um Foodwaste schon viel früher entgegenzuwirken.

Wenn ich eure Idee cool finde – wie kann ich euch aktuell helfen?

Unterstütze unser Crowdfunding. Wir können nicht nur das Geld gut gebrauchen, weil wir das letzte Jahr alle Vorbereitungen ehrenamtlich gestemmt haben, sondern wir wollen auch wirklich schauen, wie die Idee ankommt. Eine Unterstützung ist also wie ein extra fettes Like, und wer Feedback und Fragen hat, kann uns die auch gerne schicken. Außerdem suchen wir noch eine Location in Berlin mit mindestens 800 Quadratmetern – da setzen wir auch auf die Mithilfe der Crowd.


Wer sich noch weiter in das Thema Kollaborativer Supermarkt einarbeiten will – am 5. November kommt der Dokumentarfilm über die Park Slope Food Coop in New York ins Kino und feiert in Berlin Premiere. Außerdem gibt es auf der Website von SuperCoop Berlin einige Erklärvideos und noch mehr Informationen. Ich werde das Projekt sicher weiter verfolgen und in einem Jahr mal nachschauen, was sich vor allem im Bereich der Beschaffung so getan hat! 

Die Fotos wurden mir von SuperCoop zur Verfügung gestellt.