Nach den Artikeln über die Motivation deiner Crowd und Crowdsourcing komme ich jetzt zum dritten Teil dieser kleinen Blogreihe – der Unterstützung von Projekten mit Arbeitszeit statt Geld. Ursprünglich wollte ich eigentlich nur darüber schreiben, aber dann habe ich gemerkt, dass ich die beiden anderen Artikel vorschicken muss, damit alles besser verständlicher wird. Wenn du also erst mit diesem Artikel hier auf dem Blog gelandet bist UND ein bisschen Zeit hast, lege ich dir die beiden anderen Artikel auch sehr ans Herz!

In meinen Augen liegt im Thema Unterstützen mit Zeit statt Geld ein riesiges Potential für Crowdfunding. Im Interview mit Samuel von lokalhelden weiter unten im Text habe ich dieses Potential schon einmal angerissen, aber noch nicht vertieft. Denn leider habe ich bei der Recherche für diesen Artikel bemerkt, dass das Unterstützen mit Zeit statt Geld offenbar einige rechtliche Unsicherheiten birgt – und deshalb gibt es statt Gedanken und Überlegungen erstmal ein paar rechtliche Ausführungen.

Klar ist also: Das Thema ist mit diesem Artikel erst angerissen, aber noch lange nicht abgeschlossen. Ich bin also über jeden Hinweis dankbar – schreib mir einen Kommentar, wenn ich etwas übersehen habe, du einen anderen Artikel zum Thema kennst oder sonst eine Information hast, die mir weiterhelfen könnte!

Nennen wir es “Crowdengaging”?

Für das Unterstützen von Kampagnen mit Arbeitszeit statt Geld gibt es meines Wissens noch keinen allgemein gebräuchlichen Fachbegriff. Auf der Seite der Raumpioniere in Wien bin ich über den Begriff Crowdengaging gestolpert. Da ich es wichtig finde, das Unterstützen mit Zeit statt Geld vom Crowdsourcing abzugrenzen, nutze ich diesen Begriff für diesen Artikel.

Es gibt übrigens auch Projekte, die nicht erfolgreich finanziert wurden, deren Crowd dann aber durch aktive Mitarbeit das Projekt doch noch zur Umsetzung gebracht hat. Das Crowdengaging hat dann quasi die Finanzierung ersetzt.

Crowdengaging über Kommunikation

Wie beim Crowdsourcing kannst du auch beim Crowdengaging die Kommunikation mit deiner Crowd nutzen, um aktive MithelferInnen zu finden. Du bittest sie also darum, dich mit Zeit (statt mit Geld) zu unterstützen – also zum Beispiel bei der bei der Organisation einer Veranstaltung zu helfen, einen Messestand zu betreuen oder bei der Umsetzung deines Projektes mitzuarbeiten.

Die österreichische (reward-based) Plattform Raumpioniere, auf der vor allem lokale Projekte starten, die sich mit der Gestaltung städtischer Räume auseinandersetzen, unterstützt diese Kommunikation mit einem Icon. Eine Sanduhr symbolisiert, dass das Projekt auch “Zeit & Hilfe” benötigt, die Kampagnen präzisieren dies dann über den Kampagnentext. Die Plattform bietet aber keine technische Lösung, diese Unterstützung direkt über die Plattform abzugeben.

Ähnlich ist es auf betterplace (donation-based) – dort sind in einer separaten Kategorie „Ehrenamt finden“ Projekte aufgelistet, die aktive Mithilfe suchen. Die Plattform nennt das „Zeitspenden-Suche“. Kampagne und Zeitspenden-Suche können über einen Link miteinander verbunden werden, sind aber nicht auf einer Kampagnenseite dargestellt. Als Beispiel verlinke ich dir hier die Zeitspenden-Suche des DRK-Kreisverband Essen e.V. , die mit der Kampagne verknüpft ist.

Die technische Lösung auf lokalhelden.ch

Die (donation-based) Plattform lokalhelden.ch, die von der Schweizer Raiffeisengruppe betrieben wird, stellt dagegen sowohl die klassische Unterstützung mit Geld als auch die Unterstützung mit Zeit auf einer Kampagnenseite dar.  Unter den Gegenleistungen findet sich auf dieser Plattform die Kategorie „Zeitspenden“ – als Beispielkampagne habe ich den Wake Park Romanshorn rausgesucht. Hier kannst du statt Geld auch 10 Stunden Arbeitszeit spenden – und beim Betrieb des Liftes oder der Gastronomie mithelfen. In Vorbereitung dieses Artikels habe ich Samuel Weibel, der zum Kernteam von lokalhelden gehört, zu seinen Erfahrungen mit der Funktion befragt:

Interview mit Samuel von lokalhelden.ch zum Unterstützen mit Zeit

Auf eurer Plattform kann man Projekte nicht nur mit Geldspenden unterstützen, sondern auch mit Zeitspenden. Habt ihr diese Option gleich beim Launch der Plattform angeboten oder ist sie später hinzugekommen?

Bereits beim Launch der Plattform war es möglich, Projekte mit Zeitspenden zu unterstützen. Auch Materialspenden sind bei unseren Projekten möglich.

Warum habt ihr euch entschieden, diese Option anzubieten? Welches Potential seht ihr darin für eure Projekte?

Uns ist es wichtig, den Projektstartern eine ganzheitliche Organisation ihres Crowdfundings zu ermöglichen. Genau darum kann man bei uns neben Geld auch Zeit und Material spenden. Gerade Events können von personellen oder materiellen Zuwendungen hervorragend profitieren. Zudem können die Projekte so ganz ohne finanziellen Aufwand unterstützt werden.

Wie wird sie angenommen?

Mittlerweile sind rund 40 Projekte von Zeitspenden unterstützt worden. Gegenüber den klassischen Geldspenden sind sie jedoch deutlich in der Minderheit. Das liegt in der Natur der Sache: Helfer und Material werden nicht in jedem Projekt gleich stark gebraucht – Geld geht immer.

Welche Erfahrungen habt ihr bisher mit dieser Option gemacht? Wie war das Feedback der Projekte?

Bisher hatten wir nur positive Reaktionen. Die Suche nach Helfern wurde mithilfe der Plattform vereinfacht und der administrative und kommunikative Aufwand konnte reduziert werden.

Ich überlege, ob sich durch Crowdengaging nochmal ganz andere Menschen von Crowdfunding angesprochen fühlen könnten: Nämlich die, die wenig Geld zur Verfügung haben, aber mehr Zeit. Teilt ihr diese Überlegung? Oder könnt ihr das sogar durch eure Erfahrung bestätigen?

Wir sind überzeugt, dass dadurch auch Helfer angesprochen werden können, die einfach nur Zeit spenden und sich engagieren möchten. Crowdfunding wird so für noch mehr Menschen interessant. Untersucht haben wir das aber nie bewusst. Wir werden den Projektstartern diese Option auch in Zukunft zur Verfügung stellen.

Ergänzung am 22.5.2019: Ich habe noch eine Plattform gefunden, die eine technische Lösung anbietet: Crowdify.net (auch aus der Schweiz) ermöglicht es Projekten, sogenannte “Needs” auf der Kampagnenseite sichtbar zu machen.

Die rechtliche Situation (in Deutschland) – der Versuch einer Klärung

Beim der Recherche zu diesem Artikel habe ich mich gewundert, warum bisher nur so wenige Plattformen diese Option anbieten, obwohl sie technisch offenbar darstellbar ist. Ich habe mich gefragt, ob so eine Mitarbeit vielleicht Schwarzarbeit ist, als geldwerter Vorteil versteuert werden muss oder die Plattformen die Option noch nicht anbieten, weil dadurch andere Vertragsverhältnisse entstehen. Ich habe deshalb die drei Artikel und meine vielen Fragezeichen an Eva Straube geschickt, die Rechtsanwältin ist und sich viel mit dem Thema Crowdfunding beschäftigt. Das hat sie mir geantwortet:

Man kann sicher die geleistete Arbeit nicht per se als Schwarzarbeit einordnen, denn das wäre sie nur dann, wenn hierfür ein Entgelt bezahlt werden müsste, auf das Steuern und gegebenenfalls Sozialabgaben zu zahlen sind. Grundsätzlich können jedoch die Helfer ihre Arbeit erbringen und auf ein Entgelt verzichten. Allerdings trägt der Projektbetreiber im Zweifel die Beweislast, dass dieser Verzicht tatsächlich stattgefunden hat.

Unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung des zustandegekommenen Vertrags (in der Regel wird ein Dienstvertrag zugrunde liegen) stellt die von dem jeweiligen Crowd”mitglied” erbrachte Arbeitsleistung für den Projektbetreiber meines Erachtens einen geldwerten Vorteil dar, da er sich hier eigene Aufwendungen spart.  Hier gilt es den Wert der ersparten Aufwendung zu ermitteln und ihn bei der Einkommens- oder Körperschaftssteuererklärung mit anzugeben. Was aus Sicht der Projektbetreiber vielleicht gegen das Crowdengaging spricht, da sie hier Steuern auf etwas zahlen müssen, für das sie keinen monetären Gegenwert erhalten haben.

Bei den Helfern, die sich langfristig für das Projekt engagieren, besteht die Gefahr, dass eine Qualifizierung als Arbeitsverhältnis erfolgt. In diesem Fall läuft der Projektetreiber Gefahr, für die ersparten Aufwendungen Lohnsteuer und Sozialabgaben abführen zu müssen.

Verhältnismäßig unproblematisch ist das Crowdengaging meiner Meinung nach für Organisationen, die als gemeinnützig anerkannt sind. In diesem Fall kann die Unterstützung unter bestimmten Voraussetzungen als Spende (sog. Vergütungsspende) qualifiziert werden. Falls eine Spende vorliegt, unterliegt der geldwerte Vorteil nicht der Körperschaftssteuer. Damit der Helfer die Spende steuerlich geltend machen kann, empfiehlt es sich einen schriftlichen Vertrag über die erbrachten Leistungen abzuschließen. Hierin legt der Projektbetreiber die Höhe der Vergütung für die erbrachte Tätigkeit fest und der Helfer verzichtet schriftlich auf die Vergütung. Der Projektbetreiber bestätigt Vergütungsspende mit einer Zuwendungsbestätigung.

Neben der steuerlichen Problematik stellt sich die Frage, wer haftet, falls der Helfer im Rahmen seiner Unterstützung einen Schaden verursacht bzw. er selber einen Schaden erleidet. Hier gilt es auf alle Fälle für einen entsprechenden Versicherungsschutz zu sorgen.“

(WICHTIG: Dies ist übrigens keine Rechtsberatung – wenn du Crowdengaging nutzen willst, solltest du dich im Zweifel dazu nochmal rechtlich beraten lassen!)

Und jetzt?

Uff. Sieht also momentan so aus, als wären da einige Sachen noch nicht ganz geklärt. Wie oben bereits geschrieben: Ich nehme den Artikel jetzt zum Anlass, da weiter zu recherchieren. Wenn du also irgendeinen Hinweis für mich hast, freue ich mich, wenn du ihn mir zusendest!